Wie die Faust aufs Auge
Frage: Lieber Zwiebelfisch, ich bin mir sicher, dass Sie helfen können, die Bedeutung einer Redensart zu klären, die ich seit meiner Kindheit verwende: Das passt «wie die Faust aufs Auge» wurde in meiner Familie immer für Dinge verwendet, die überhaupt nicht zueinander passen, wie zum Beispiel zwei Farben, die «sich schlagen». Nach meinem Gefühl ist das die korrekte Deutung. Nun gibt es aber in meinem Bekanntenkreis einige, die diese Redensart genau im umgekehrten Sinn verwenden, für Dinge, die besonders gut zueinander passen. Das erscheint mir unlogisch. Ich konnte mich aber bis jetzt mit meiner Ansicht nicht durchsetzen, da mir das «schlagende» Argument fehlt. Jetzt wende ich mich voller Hoffnung an Sie. Welche Deutung ist die richtige?
Antwort: Die Redewendung von der «Faust aufs Auge» ist ein klassisches Beispiel für die Wandlungsfähigkeit der deutschen Sprache. Mit dem Vergleich wurde ursprünglich ausgedrückt, dass etwas überhaupt nicht zu etwas passt. Faust und Auge passen nicht zusammen, weil es höchst unangenehm ist, einen Faustschlag aufs Auge zu bekommen. Als einen solchen Faustschlag konnte zum Beispiel der modebewusste Mensch unpassende Kleider- und Farbkombinationen empfinden: „Roter Rock zu orangefarbener Bluse – das passt wie die Faust aufs Auge!“ So die ursprüngliche Bedeutung, wie Sie sie kennen gelernt haben.
Durch häufigen ironischen Gebrauch entwickelte sich aber eine zweite, und zwar genau gegenteilige Bedeutung: etwas passt sehr gut, ganz genau zueinander. Die ironische Sinnverdrehung gipfelte in der scherzhaften Abwandlung „Das passt wie Faust aufs Gretchen“, bei der auf Goethes «Faust» Bezug genommen wird.
Die zweite Deutung ist heute die geläufigere, auch wenn die ursprüngliche nach wie vor gültig ist. Im Zweifelsfall erschliesst sich die passende Deutung aus dem Zusammenhang.
Quelle: Bastian Sick, Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod – Die Zwiebelfisch-Kolumnen